War das schon Scrum?

War das schon Scrum?

Ein Reifegradmodell oder doch schon Scrum?

In einer meiner früheren Aufgaben war ich für einen Entwicklungsbereich in einem internationalen Konzern verantwortlich. Kernaufgabe war die Entwicklung neuer Plattformen eines Halbleiterprodukts, insbesondere des Halbleiterprozesses.

 Als ich diese Funktion neu übernommen habe, bestand der Entwicklungsbereich aus verschiedenen Abteilungen, die in fest zementierten Silos vor sich hin entwickelten. Zu den Nachbarbereichen in der Vorserienfertigung und dem Facility Management wurden gefühlt noch höheren Mauern kultiviert.

Dies wurde wohl bereits schon länger so kultiviert, denn die Ergebnisse der Entwicklung konnten, Rückblickend, in der Vorserienfertigung nicht reproduziert werden. Performance Einbrüche und damit deutliche Rückschritte bei der Produktentwicklung waren an der Tagesordnung.

 Kurz vor meiner Aufgabenübernahme wurde zudem das erste „agile“ Kundenprojekt in einer solchen Umgebung aufgesetzt. Scrum war das Zauberwort. Es gab aber – vor ca. 10 Jahren – nicht wirklich viel Erfahrung mit Scrum in Hardware Projekten. Das Projektteam war damals organisatorisch ein quasi klassisches Projekt mit doppelter Projektleitungsspitze. Aber es wurde auch „Scrum“ gemacht…

 Aufgrund dieser Umgebung setzte ich die Entwicklung organisatorisch neu auf. Eine bestehende Strukturierung der Halbleiterprozessentwicklung nutzend, entsann ich ein Reifegradmodell. Dabei war für mich folgendes wichtig:

  • alle Teams mussten crossfunktional besetzt sein. Entwickler und Mitarbeitende der Vorserienfertigung waren die Mindestbesetzung, dazu oft noch Facility Management und Einkauf.
  • Alle Teams mussten Tafeln haben, auf denen der aktuelle Entwicklungsstand ständig abzulesen war.
  • Alle Teams hatten ein Daily.
  • Es gab kurze wöchentliche Gesamtdarstellungen der Reifegradentwicklung, der in zehn Stufen unterteilt war.
  • Alle vier Wochen gab es einen Reviewtermin für jedes Team. Das Inkrement war die Reifegradsteigerung.
  • Die Gruppenleiter hatten in der Regel die Funktion des Product Owners, sie standen in engem Kontakt zum Kundenprojekt.
  • Ich selbst übernahm die Rolle des „Scrum Masters“ im „Team of Scrums“ und kümmerte mich darum, dass die Teams reibungslos miteinander arbeiten konnten. Dazu wurde in der Organisation meine Zuständigkeit in Form einer Doppelspitze für die Vorserie erweitert. Wir führten auch eine Art Retrospektive ein, um die vielen historischen Barrieren in der Zusammenarbeit aus dem Weg zu räumen.

Dieses Projekt schaffte mit dieser veränderten Arbeitsweise ein ganz neues Erfolgserlebnis. Zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens konnte ein Performancegewinn des Halbleiterdevices beim Übergang in die Vorserienfertigung erzielt werden. Und das bei einer Ontime +2%. In Betracht der hohen Komplexität einer weitgehend neuen Fertigung und eines komplett neu gebauten Entwicklungslabors eine sehr gute Leistung.

IQE-Consult Scrum Werte Kompass

Die Scrum Werte als Kompass zur Orientierung

Kritische Betrachtung

Aus Sicht der vielen Erfahrung mit Scrum zum heutigen Zeitpunkt gab es damals doch noch einiges an Improvisation, keine sauber getrennten Verantwortlichkeiten von Linie und PO und SM. Die Events waren noch nicht sauber aufgesetzt, die Teams kaum mit Scrum vertraut. Der größte Mangel betrifft sicher die Artefakte, die nicht bzw. nur sehr rudimentär vorhanden waren.

Fazit

Trotzdem hat das Projekt sehr gut geklappt, es wurde mit viel Erfahrung mit PDCA basierten Veränderungsprojekten und mit Prozessoptimierung aufgesetzt. Die Teams fanden sehr schnell eine sehr gute Kommunikationsbasis. Die Transparenz war kurz nach dieser Projekttransformation hoch.

Spiegele ich die Werte und Prinzipien von Scrum an diesem vorgehen, finde ich sehr vieles wieder was zum Erfolg beigetragen hat:

  • Transparenz
  • Mut
  • Fokus
  • Commitment
  • Die Offenheit musste in Laufe der Arbeit erst errungen werden

Dazu zählen auch viele agile Prinzipien, die ich rückblickend identifiziere kann. Gerade die Prinzipien sind handlungsleitend. Hier sind die wichtigsten die wir umgesetzt haben:

– Transparenz vor Geheimnissen
– Unterstützende Führung
– Talente vor Titel
– Vertrauen vor Kontrolle
– Abliefern vor Planung
– Netzwerke vor Hierarchie

Daraus entstand ein Vertrauen und eine wirklich gute Zusammenarbeit über die einstigen Grenzen der Abteilungen und Bereiche hinweg.

Es war vielleicht nach den Regeln der Kunst kein Scrum Vorzeigeprojekt – oder etwa doch, wenn wir insbesondere das Mindset betrachten. Für mich war es ein gelungenes Scrumbut Projekt.

Viele der hier beschriebenen Vorgehensweisen wurde aus meinem Erfahrungsschatz und dem meines Teams heraus vorgeschlagen und umgesetzt. Das Vorgehen basierte auf Empirie und Iteration. Das selbe Fundament, wie es auch Scrum fürsich in Anspruch nimmt…

Wie seht Ihr das? Muß ich immer Scrum nach Vorschrift machen oder geht agil auch anders?

Wandel zur agilen Organisation

Wandel zur agilen Organisation

Wie kann der Wandel zur agilen Organisation ablaufen?

Der Weg zu einer agilen Organisation weist meist einen typischen Verlauf im Rahmen der agilen Transformation auf. Startpunkt einer evolutionären Entwicklung sind meist einzelne Teams, die agil arbeiten sollen, mit Scrum, Kanban oder anderen agilem Methoden.

Als Folge dessen werden Mitarbeitern neue Rollen bzw. Verantwortlichkeiten zugewiesen. Diese Veränderungen in den Verantwortlichkeiten der Teammitglieder wirken sich auf Teile der Organisationsstruktur aus. Das bisherige Gefüge ist nicht mehr stimmig. Größere Veränderungen in Form von Anpassungen in der Organisation zur Verbesserung der Agilität sind die Folge. Mit der Einführung agiler Arbeitsformen wird die Strategie des Unternehmens angepasst – der Kunde muss entsprechend seiner gestiegenen Erwartungen bedient werden, wird Teil der agilen Teams.

Auch die Aufgaben, Rollen und Verantwortlichkeiten der Führungskräfte wandeln sich und werden an die Arbeitsweisen und veränderten Verantworteungen der agilen Teams angepasst – die Führung verändert sich da ja Teile der Führungsverantwortung an die Teams abgegeben wurden. Selbstverwaltung von Scrum Teams, Scrum Master als führungskräfte, Product Owner als Produktspezialisten mit engem Kontakt zum Kunden. Das hat weitreichende Konsequenzen in der gesamen Organisation.

Das erfordert z.B. auch eine eine Veränderung der HR Tools. Letztlich verändert sich über diese Kette von Veränderungen auch das Mindset bzw. die Unternehmenskultur hin zu einer agilen Organisation. Sofern das Management nicht schon nach den ersten Erfolgen den Veränderungsprozess für beendet erklärt. Ein solcher Wandel erfordert Ausdauer in der Unternehmensführung, bei den Mirtarbeitenden und eine erfahrene Begleitung durch Profis in Change Management und agilen Methoden.

Gerne unterstützen wir Sie und ihre Organisation bei Ihrem Wandel!

Change Management Basics

Change Management Basics

Change Management Modelle

Es gibt viele Ansätze, um Change Management in Organisationen zu betreiben. Diese beruhen auf unterschiedlichen Modellierungen von Veränderungsprozessen, deren Wurzeln teilweise auf einige Jahrhundert zurück gehen. Bekannte Philosophen wie Kant und Machiavelli haben sich bereits damit auseinandergesetzt.

Modelle stellen immer eine Vereinfachung der Wirklichkeit dar, weshalb sie einen Rahmen für einen Veränderungsprozess darstellen, der je nach Organisation individuell angepasst werden muss.

 

Hier werden klassische Ansätze erläutert, die allerdings im heutigen Change Management für agile Unternehmen überholt sind – darüber werde ich in einem weiteren Blog Beitrag schreiben. Trotzdem geben diese Modelle Einsteigern in das Thema eine grundlegende Orientierung zu klassischen Ansätzen.

Klassisch werden üblicherweise unterschiedliche Phasen im Veränderungsprozess beschrieben. Dieses herunterbrechen von komplexen Verhaltensweisen der Betroffenen bei Transformationen hilft bei der Komplexitätsreduzierung. Dadurch wird der Prozess überschaubarer und kann besser gesteuert werden. Dies führt zu mehr Übersicht, Orientierung und hilft bei Entscheidungen sowie bei der Kommunikation im Change Management.

Ein frühes Modell für Veränderungsprozesse ist das 3-Phasenmodell von Kurt Lewin (1890-1947). Dieses orientiert sich sehr als tyloristisch geprägten Unternehmen und trifft daher auf viele modern Unternehmen nicht mehr zu. Wir betrachten hier die neuere Modelle – wobei diese auch auf Organisationsmodellen des Industriezeitalters aufbauen..

Da Menschen – und damit Organisationen – auf Veränderungen unterschiedlich reagieren, ist eine Transformation immer wieder eine herausfordernde Aufgabe, die viel Achtsamkeit erfordert. Zwei Drittel aller geplanten Veränderungsinitiativen erreichen ihr Ziel nicht oder werden vorher abgebrochen (John P. Kotter). Ein zentraler Grund dafür lässt sich immer wieder identifizieren: Die Verantwortlichen vernachlässigen bei der Planung, Gestaltung und Steuerung ihrer Change Management-Prozesse den emotionalen Aspekt, der mit der Umgestaltung einhergeht. Diesen Ansatz behandle ich zuerst, da hiervon am Meisten in das moderne Change Management übernommen werden kann. Den Verlauf der Emotionen zu kennen, ist eine wichtige Hilfestellung für den oder die Change Vetantwortlichen, erlaubt es doch Reaktionen der Mitarbeitenden zu antizipieren. Allerdings muß dem Anwender bewusst sein, dass nicht alle Menschen zeitgleich in den selben emotionalen Zuständen sind, dass manche Phasen überspringen etc. 

Ist man sich der typischen menschlichen Reaktionen auf abrupte Veränderungen bewusst, kann ein Change besser vorbereitet und durchgeführt werden und hat somit bessere Erfolgschancen. Diese Reaktionen laufen typischerweise in sieben Phasen ab (nach Richard K. Streich). Dieses Change-Management-Modell (auch als Change-Kurve bekannt) beleuchtet die emotionalen Reaktionen von Mitarbeitern bei Change Management-Prozessen, beginnend vom Schock bei der Ankündigung von Veränderungen bis zur Übernahme neuer Denk- und Verhaltensmuster in den Arbeitsalltag. Werden diese nicht gebührend berücksichtigt, wird der gesamte Prozess beeinträchtigt.

Phase 1:  Überraschung und Schock

Die Mitarbeiter erfahren von anstehenden Veränderungen und reagieren in der Regel mit Überraschung und Schock. Der Change-Prozess löst Ängste und Unverständnis aus, die Mitarbeiter sind kaum bereit, sich auf die Neuerungen einzulassen. In dieser Phase ist häufig eine sinkende Produktivität zu beobachten, weil bisherige Verhaltensweisen nicht mehr anwendbar sind. Führungskräfte sollten jetzt Verständnis zeigen und im Gespräch mit den Mitarbeitern bleiben.

Phase 2:  Ablehnung und Verneinung

Nach dem ersten Schock folgt die Ablehnung. Häufig schließen sich Mitarbeiter zusammen und machen deutlich, dass sie die Veränderungen für vollkommen überflüssig halten. Hinter dieser Ablehnung steckt oft die Angst vor dem Verlust der bekannten und vertrauten Unternehmenskultur. Von den Verantwortlichen für den Change Management-Prozess ist jetzt Konsequenz gefragt: Es darf kein Zweifel aufkommen, dass die geplanten Maßnahmen notwendig sind.

Phase 3: Rationale Akzeptanz

Zeigt die Ablehnung keine Wirkung, folgt die Einsicht: Offenbar sind die angekündigten Maßnahmen unausweichlich. Die Bereitschaft zu einer persönlichen Veränderung ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht gekommen. Die Mitarbeiter versuchen vielmehr der als unangenehm empfundenen Situation zu entkommen, indem sie an kleineren Stellschrauben drehen. Da dies nicht den gewünschten Erfolg bringt, wächst die Frustration. In dieser Phase kommt es darauf an, die persönliche Auseinandersetzung der Mitarbeiter mit dem Veränderungsprozess fördern.

Phase 4: Emotionale Akzeptanz

Die vierte Phase markiert die entscheidende Wende in dem 7-Phasen-Modell von Streich: Der emotionale Tiefpunkt ist erreicht: Die Mitarbeiter nehmen ihre eigene Kompetenz als ausgesprochen gering wahr. Sie haben erkannt, dass der beschrittene Weg irreversibel ist und weiterer Widerstand zwecklos. Sie beginnen die Veränderungen nicht nur zu verstehen, sondern zu akzeptieren. Die Change Management-Verantwortlichen sind vor allem als Trauerbegleiter gefordert. Denn es heißt nun Abschied von Altbekanntem zu nehmen. Und das wird als Verlust empfunden. Erst wenn dieses Gefühl verarbeitet wurde, können neue Wege beschritten und die produktive Neuorientierung begonnen werden. Das Change Management kann diesen Prozess durch Workshops und Gesprächsangebote unterstützen.

Phase 5:  Ausprobieren und Lernen

Diese Phase des Change-Projektes ist gekennzeichnet durch Neugierde und Ausprobieren neuer Verhaltensweisen. Bei einem solchen Trial and Error-Vorgehen kommt es natürlich  zu Fehlern und Rückschlägen. Diese werden aber insgesamt als Gewinn an Erfahrung bewertet. Lernprozesse werden entwickelt und optimiert und das Produktivitätsniveau steigert sich Schritt für Schritt. Mit Geduld und Ermutigung können Change Management-Verantwortliche diese Prozesse unterstützen.

Phase 6: Erkenntnis

Die Mitarbeiter haben ihre Fähigkeiten und Kenntnisse erweitert und erkennen, dass der Change-Prozess etwas Gutes bewirkt hat.

Phase 7: Integration

Der krönende Abschluss eines erfolgreichen Change Management-Prozesses: Die Mitarbeiter übernehmen die neuen Handlungs- und Verhaltensweisen vollständig in ihren Arbeitsalltag und betrachten sie als selbstverständlich. Die Produktivität sollte deutlich über dem Ausgangspunkt liegen.

 Dieses Modell der emotionalen Reaktionen in Change Management Prozessen gibt Change Managern, Führungskräften und auch Mitarbeitern eine Orientierung, mit welchen Verhaltensweisen zu rechnen ist. Dieses Modell gilt vor allem für das Verarbeiten von „schlechten Nachrichten“ bei größeren, abrupten Veränderungen.

Der Mensch steht also im Mittelpunkt von Veränderungsprozessen. Und stellt damit zugleich das größte Hindernis dar. Ausgehend von dieser Erkenntnis entwickelte Kotter 1996 das 8-Stufen-Modell. Die Theorie zeigt acht Phasen des Change Managements auf und gibt Führungskräften Tipps an die Hand, wie sie Veränderungen erfolgreich vorantreiben. Im Mittelpunkt des Modells steht die Kommunikation.

 

Change-Management-Phasen nach John P. Kotter

Das Stufenmodell von John P. Kotter[1] ist eine Weiterentwicklung des 3-Phasen-Modells von Kurt Lewin. Nur wenn alle acht Stufen der Veränderung durchlaufen und von Führungskräften intensiv begleitet werden, können Veränderungen in Unternehmen Erfolg haben, so die Theorie.

  1. Dringlichkeit aufzeigen

Unter Führungskräften und unter den Mitarbeitern ein Bewusstsein für die Dringlichkeit des Wandels erzeugen: Entwickeln Sie beispielsweise Szenarien die eintreten könnten, wenn sich keine Veränderung vollzieht.

  1. Führungskoalition aufbauen

Führungsteam/allianz aufbauen: Richtungsweisende Personen für Ihre Idee gewinnen und unter der Flagge der Veränderung zusammenbringen. Stellen Sie sicher, dass Sie einen guten Mix von Mitarbeitern aus verschiedenen Abteilungen und mit verschiedenen Kompetenzen haben.

  1. Vision und Strategie entwickeln

Eine starke Vision und konkrete Strategien entwickeln: Kommunizieren Sie diese in einer gut vorbereiteten und starken Rede. Ein übergeordnetes Ziel für das Unternehmen hilft bei der Umsetzung des Wandels.

  1. Die Vision kommunizieren

Steter Tropfen höhlt den Stein: Scheuen Sie sich nicht, die Vision gegenüber den Führungskräften und den Mitarbeitern immer wieder zu kommunizieren. Das schafft Vertrauen und stärkt die Motivation.

  1. Hindernisse aus dem Weg räumen

Gibt es Strukturen in Ihrem Unternehmen, die den Wandel bremsen? Werfen Sie einen genauen Blick auf den Status quo und räumen Sie ungünstige Organisationsstrukturen, Arbeitsabläufe und Routinen aus dem Weg.

  1. Kurzfristige Erfolge sichtbar machen

Kurzfristige Ziele und Erfolge sicherstellen: Sie müssen sichtbar und eindeutig sein. Immer wieder Erfolge feiern

  1. Veränderung weiter antreiben

Tiefgreifende Veränderungen nehmen viel Zeit in Anspruch.  Analysieren Sie nach jedem erreichten Ziel, was gut gelaufen ist und was hätte besser laufen können. Entwickeln Sie stets neue Ideen und Ziele und bringen Sie neue Mitarbeiter in Ihre Führungsriege.

  1. Veränderungen in der Unternehmens-Kultur verankern

Verankern Sie die erreichten Ziele fest in Ihrer Unternehmenskultur (Implementierung). Erst wenn dies gelungen ist, kann nach Kotter von einem erfolgreichen Change-Management-Prozess gesprochen werden.

 

Potentiale und Grenzen von Kotters Modell der Change Management Phasen

Da Kotters 8-Phasen-Modell konkrete Handlungsanweisungen zum Thema erfolgreiche Transformationen gibt, leistet es in der Praxis gute Dienste. Es zeigt wie kaum ein anderes Change Management Modell die Wichtigkeit von guter Kommunikation für einen nachhaltigen Wandel. Zudem bezieht es im Gagensatz zu dem Model von Lewin die Beziehungen zwischen Organisationen und deren Umwelt ein.

Es behandelt allerdings nicht, wie mit Rückschritten und Mitarbeiterinitiativen (Bottom-up Ansatz) umzugehen ist. Trotz dieser Kritikpunkte stellt Kotters 8-Stufen Modell einen zentralen, weiterentwickelten und auch in der Forschung weit verbreiteten Ansatz dar.   

Das Fünf Phasen Modell nach Krüger

In einer kritischen Auseinandersetzung mit den Problempunkten von Kotters Modell und aufbauend auf eigenen Erhebungen identifiziert Krüger[1] in seinem Change Management Modell fünf Phasen der Veränderung. Er lässt explizit auch Flexibilität im Hinblick auf die Gestaltung der Change Management Prozesse zu.

Stufe 1: Initialisierung

Die Notwendigkeit einer Veränderung wird festgestellt; interne und externe System- und Situationsanalysen werden durchgeführt, um die Situation einschätzbar und planbar zu machen. Im gleichen Zug werden die Träger des Veränderungsprozesses z.B. Führungskräfte und Berater aktiviert.

Stufe 2: Konzeption

Bei der Konzeption des Wandlungsvorgangs werden Ziele definiert und die dazugehörigen Maßnahmen ermittelt und festgelegt.

Stufe 3: Mobilisierung

Die bevorstehende Veränderung wird den Betroffenen kommuniziert. Krüger betont die besondere Bedeutung von Change Management Kommunikation, um die Akzeptanz aller Beteiligten zu gewinnen und diese auch mit geeigneten Maßnahmen auf die veränderten Bedingungen vorzubereiten. Diese Stufe bereitet die Umsetzung vor.

Stufe 4: Umsetzung

Die geplanten Änderungen werden durchgeführt sowie eventuelle Folgeprojekte initiiert. Jedes Projekt wird anschließend auf seinen Erfolg hin überprüft, bewertet und ggf. korrigiert.

Stufe 5: Verstetigung

In der letzten Stufe werden die Ergebnisse des Wandlungsprozesses verankert und gefestigt, um zu sicher zu stellen, dass die Organisation nicht wieder in alte Muster zurück verfällt. Im Zuge der Verfestigung sollte zudem die Bereitschaft für künftige Veränderungen sichergestellt werden.

Bedeutung

Das 5-Stufen-Modell von Krüger lässt die Möglichkeit zu, innerhalb der verschiedenen Phasen Umgestaltungsmaßnahmen und flexible Anpassungen an die jeweilige Situation vorzunehmen, somit sind auch Rückschritte erklärbar. Neben den Erfolgsfaktoren für die Veränderung können hier auch konkrete Empfehlungen für Ausgestaltung und direkte Anwendungen der Wandlungsprozesse gegeben werden.

Die lernende Organisation

Change Management kann an verschiedenen Punkten ansetzten:

  • Einerseits können radikale Veränderungen in kurzer Zeit vorgenommen werden, wie bspw. beim Business Process Reengineering.
  • Andererseits kann ein evolutionärer Wandel geschehen, der in „sanften“ kleinen, aber dafür dauerhaften Schritten vollzogen wird.

Das Change Management Modell der „Lernenden Organisation“ setzt auf einen kontinuierlichen Entwicklungsprozess von Unternehmen und Organisationen. 

Fazit

Trotz der unterschiedlichen Ansätze, die sich in den Change Management Modellen widerspiegeln, ähneln sich in allen Modellen die Aufgabenstellung an Führungskräfte in Veränderungsprozessen.

In der Fachliteratur besteht grundsätzlich Einigkeit darüber, dass bestimmte Faktoren als Grundbestandteile für alle erfolgreichen Veränderungen gelten. Besonders hervorgehoben werden die Faktoren:

  • Kommunikation mit Betroffenen
  • Ziel- und Visionsentwicklung
  • Beteiligung alle betroffenen Mitarbeiter, möglichst frühzeitig und ganzheitlich
  • Motivation, Wille, Fähigkeit und Qualifizierung für den Wandel in der Führungsetage wie auch bei den Mitarbeitern

In traditionellen tayloristischen Organisationen können diese Ansaätze gut funktionieren. In volatilen Märkten operierende Unternehmen brauchen andere Ansätze, eben agiles Change Management.  

[1] Leading Change: Wie Sie Ihr Unternehmen in acht Schritten erfolgreich verändern , Oktober 2011

[2] Excellence in Change: wege zur strategischen Erneuerung (5. Auflage 2014)

Agile Prozessorganisation

Agiles Handeln und Prozesse – wie passt das zusammen?

Wie kann eine agile Prozessorganisation aussehen? 

Ist das ein funktionierender Lösungsansatz für eine hybride Organisation?

Unternehmen unterliegen zunehmend einem immer komplexer werdenden Umfeld. Innovationszyklen werden immer kürzer, die zunehmende Globalisierung und eine immer stärker schwankende Auslastung erfordern eine stetig steigende Flexibilität.

Bestehende Abläufe, klassische Managementmethoden sind dem nicht mehr gewachsen. Um die immer dynamischer werdenden Märkte, globale Zusammenarbeit, engere Kundeneinbindung und steigender Wettbewerbsdruck benötigen neue Handlungsrahmen. Dazu stehen viele Unternehmen mitten in der digitalen Transformation.

Da funktionale Aufbauorganisationen an diesen Herausforderungen oft scheitern, da diese nicht schnell und flexibel genug sind, müssen neue Abläufe und Organisationsformen her.

Crossfunktionale, Ende zu Ende definierte Abläufe (Kunde zu Kunde) sind hier ein möglicher Lösungsansatz, dem sich auch die Führungsverantwortung unterordnet. Damit lassen sich weitaus kundenorientiertere Arbeitsweisen erzielen. Diese Prozessorganisationen müssen allerdings auch kritisch hinsichtlich ihrer Möglichkeit zur flexiblen Zusammenarbeit beleuchtet werden.

Agile Methoden, ursprünglich in der Softwareentwicklung entstanden, versprechen hier eine weitere Verbesserung hinsichtlich Geschwindigkeit und Qualität.

Doch lassen diese sich mit Sollprozessen und festen Strukturen kombinieren oder widerspricht sich das alles?

In der folgenden Betrachtung möchte ich dieses näher beleuchten.   

Agile Konzepte und Methoden reichen in ihrem Ursprung mehr als 50 Jahre zurück, basieren auf der Übertragung von LEAN Prinzipien auf die Produktentwicklung. Das agile Manifest[1] fasst diese Werte zusammen:

  • Individuen und Interaktionen schätzen wir mehr als Prozesse und Werkzeuge
  • Funktionierende Software schätzen wir mehr als umfassende Dokumentation
  • Zusammenarbeit mit dem Kunden schätzen wir mehr als Vertragsverhandlungen
  • Reagieren auf Veränderung schätzen wir mehr als befolgen von Prozessen

Agiles Handeln hat demnach den Kundennutzen, Qualität und die Schnelligkeit im Fokus. Teilfertige, nutzbare Ergebnisse werden regelmäßig geliefert, wodurch der Kunde einen Mehrwert hat. Die Aufgaben der Organisation wandeln sich in diesem Kontext, Führung muss neu gedacht werden.

Agile Abläufe, agiles Arbeiten erfolgt natürlich ebenfalls in einem gewissen Prozess- und Methodenrahmen. Nur dass dieser Rahmen nicht starr, sondern flexibel ist. Er wird für eine bestimme Zeit (Sprints) festgelegt und bei Bedarf nach diesen kurzen Intervallen neu angepasst.

Nun richten wir wieder der Blick auf die Organisation „Unternehmen“. Bei genauerem Hinsehen finden wir unterschiedliche Arten von Prozessen. Solche, die schnellen Änderungen unterliegen, die dynamisch sind. Genauso finden wir Prozesse mit wenig oder keiner Veränderungsdynamik, Prozesse, die über längere Zeit stabil bleiben. Hier deutet sich bereits an, dass eine rein prozessorientierte Arbeitsweise teilweise Grenzen hat, neue Freiräume benötigt. Unsere Aufgabe ist es daher nun, zu identifizieren, welche Prozesse auf welchen Ebenen des Prozessmodells von Agilitätsanforderungen betroffen sind.

Dennoch ist es weiterhin erforderlich, eine unternehmensweite Prozesslandkarte mit vereinbarten Prozessgrenzen, abgeleitete Ziele oder vereinbarte Rollen anzuwenden, um einen geeigneten Rahmen für das agile Vorgehen bereit zu stellen. Daraus folgt insbesondere, dass alle Prozesse Teil des unternehmensweiten Prozessmodells sind und auch auf den oberen Ebenen modelliert werden. Ab einer bestimmten Prozessebene können den Prozessausführenden aber bewusst mehr Freiräume bei der weiteren Detaillierung und Umsetzung gelassen werden.

Daher ist ein unternehmensweites Prozessmodell nach wie vor erforderlich, denn es gibt den Rahmen für agiles Vorgehen vor (Prozessgrenzen, Rollen, Ziele). Innerhalb dieses Prozessrahmens können stabile Prozesse ausführlich, agile Vorgehensweisen grob beschrieben werden. Somit ist die co-Existenz agiler und nichtagiler Prozesse nebeneinander möglich.

Ähnlich verhält es sich mit der Aufbauorganisation. Künftig werden sich Führungs- und Steuerungsaufgaben immer mehr auf die ausführenden Prozessrollen verlagern, Führende und beratende Rollen mehr auf die Weiterentwicklung und Umsetzung der Prinzipien. Die Führungskraft wird immer mehr zum Coach und Motivator seiner Mitarbeiter, die wiederum in sich selbststeuernden Teams arbeiten.

Auch agilen Methoden können in der Organisation im Rahmen einer ganzheitlichen prozessorientierten Betrachtung eingeordnet werden. Ausgehend von einer agilen Entwicklung der Unternehmensstrategie wird diese über Prozesse umgesetzt (z.B. Design Thinking), die wiederum agil entwickelt werden können. Auch die Ein- und Ausführung der Prozesse kann agil erfolgen (Agiles Projektmanagement).

Nur mit agilen Methoden allein, ohne konkrete Festlegung wie die agilen Methoden zur Anwendung kommen sollen, besteht kein nachhaltiger Ansatz. Daher scheitern auch viele Ansätze da agile Teams einzusetzen noch keine Business Agilität bedeutet.

All dieses erfordert eine Entwicklung neuer und zusätzlicher Kompetenzen um diese Umsetzung zu realisieren. Weiterhin müssen neue Wege zur Zusammenarbeit und schnellen Kommunikation und Informationsverteilung innerhalb der Teams und dem Management begangen werden, um diese Agilität zu erreichen.

Fazit

Die Umsetzung einer agilen Prozessorganisation bedeutet einen großen Wandel in der Unternehmenskultur. Agilität braucht Richtlinien, um nicht im Chaos zu enden. Prozesse und damit Prozessorganisationen lassen sich agil gestalten, wenn für stabile Randbedingungen Prozesse beschrieben werden und für volatile Themenfelder agile Richtlinien und Prinzipen festgelegt werden.

Über das hinaus ist es für Unternehmen wichtig, zu wissen, warum sie agil werden wollen oder müssen. Es gehr nicht darum agiler zu werden weil es die andern Unternehmen tun.

[1] Manifest für agile Softwareentwicklung (2001), diverse Autoren